Noch bis zum 9. November rückt das Schloßmuseum Murnau mit seiner aktuellen Sonderausstellung eine lange vergessene Künstlerin der Klassischen Moderne ins Rampenlicht: die Malerin Olga Meerson.
Sie war Visionärin, Schülerin von Kandinsky und Muse von Matisse – und doch geriet ihr Name lange in Vergessenheit: Olga Meerson (1882–1930) war eine sehr zielstrebige Künstlerin, die sich die besten Lehrer ihrer Zeit suchte.
Die Sonderausstellung im Schloßmuseum Murnau lädt nun dazu ein, Meersons bewegtes Leben und ihr künstlerisches Schaffen neu zu entdecken.
Wer war Olga Meerson?
Olga Meerson kam im Alter von 16 Jahren aus Moskau nach München, um Kunst zu studieren. Sie besuchte die Schule von Anton Ažbe, an der schon Wassily Kandinsky und Alexej von Jawlensky Unterricht genommen hatten. Wenig später wurde sie Schülerin an der Damen-Akademie des Künstlerinnenvereins und lernte dort Gabriele Münter kennen.
In Kandinskys Phalanx-Schule setzte sie ihre Ausbildung fort, bevor sie 1906 nach Paris ging und dort bei Henri Matisse weiterstudierte, der ihre weitere Entwicklung maßgeblich beeinflusste. Matisse war nicht nur Lehrer, sondern auch enger Freund – ihre gegenseitigen Porträts, 1911 in Collioure gemalt, gehören zu den eindrucksvollsten Exponaten der aktuellen Schau.
Eine lange übersehene Biografie
Olga Meerson war eng vernetzt mit den russischen und internationalen Künstlerkreisen ihrer Zeit. Neben Münter, Kandinsky und Jawlensky zählten auch Elisabeth Epstein und die rumänische Bildhauerin Marie Petraşcu zu ihrem Umfeld. Sie nahm an renommierten Ausstellungen teil, etwa beim Pariser Herbstsalon oder bei Alfred Flechtheim in Berlin.
Nach ihrer Heirat mit Heinz Pringsheim – dem Schwager von Thomas Mann – lebte Meerson ab 1913 in Berlin. Dort stellte sie 1922 erneut mit Kandinsky und anderen russischen Künstlern aus. Acht Jahre später, im Alter von nur 47 Jahren, nahm sie sich das Leben – ein tragisches Ende einer vielversprechenden Laufbahn.
Ihre Kunst geriet nach ihrem frühen Tod 1930 fast völlig in Vergessenheit. Ein Schicksal, das viele Künstlerinnen ihrer Zeit teilten: Ohne prominente männliche Fürsprecher, die die öffentliche Aufmerksamkeit auf ihr Werk gelenkt hätten, und weil dieses überwiegend im Besitz ihrer Familie blieb, wurde sie weitgehend aus dem öffentlichen Bewusstsein verdrängt.
Sonderausstellung im Schloßmuseum Murnau
Angeregt durch die Recherchen des Historikers Robert Jütte, der an einer Biografie über Olga Meerson arbeitete, begab sich das Schloßmuseum Murnau auf Spurensuche. Das Ergebnis: eine Ausstellung, die mehr als 25 Werke beinhaltet – fast alle aus Privatbesitz und bislang unveröffentlicht.
Dabei zählen die beiden großartigen Gemälde, das „Porträt von Matisse“ und der „Blick aus dem Fenster“, die Meerson 1911 auf einem Malaufenthalt in Collioure bei Matisse schuf, zu den Höhepunkten. Ihr Stil lässt sich zwischen Klassischer Moderne, Expressionismus und Neuer Sachlichkeit verorten.
Der umfangreiche Ausstellungskatalog umfasst bislang unveröffentlichte Dokumente und Fotografien und wird durch Fachbeiträge ergänzt, die die Lebensstationen der Malerin in Russland, Deutschland und Frankreich beleuchten.
Die Stationen ihres Lebens erzählen auch viel über die Geschichte weiblicher Kunstschaffender im frühen 20. Jahrhundert. Zwischen künstlerischem Aufbruch, finanziellen Zwängen und gesellschaftlichen Hürden blieb Olga Meerson trotz ihres Talents der große Durchbruch verwehrt.
Diese Ausstellung ist somit nicht nur eine kunsthistorische Entdeckung, sondern auch ein wichtiges kulturpolitisches Statement: Olga Meerson verdient einen Platz im kollektiven Gedächtnis – und in den Galerien der Moderne.
Wichtige Infos zur Ausstellung im Überblick:
Laufzeit: bis 9. November 2025
Ort: Schloßmuseum Murnau
Eintritt: 12 €, ermäßigt 10 € (gilt für das gesamte Museum)
Führungen: für Gruppen bis 15 Personen jederzeit buchbar
Förderer: Förderkreis Schloßmuseum Murnau, Antonie-Zauner-Stiftung